Neues, exklusives INTERVIEW mit Hintergründen zum Roman "Verlorene Gesichter" von Romina Lutzebäck(Prenzlauer Berg, Szenecafé, 15:32 h, zwei Cappuccino mit Cantuccini auf dem ovalen Tischlein)
Lena: Sag mal Romina, wie kam es eigentlich zu deinem Roman "Verlorene Gesichter" ? Der sorgte ja schon für viel Aufregung bei den Testleser*innen...
Romina: (freut sich über das rege Interesse ) Die Idee zum Buch kam vor einigen Jahren während der Corona-Zeit durch die Wahrnehmung häuslicher Gewalt auf hohem Niveau in unserer gegenwärtigen Gesellschaft, die ja fast ausnahmslos Gewalt gegen Frauen und Kinder ist. Besonders während der Quarantänezeit litten nicht nur unzählige Kinder seelisch unter den Begleiterscheinungen der Zwangsenge, sondern eben auch sehr sehr viele Frauen. Als Lehrerin und psychotherapeutische Heilpraktikerin bin ich da natürlich besonders wahrnehmungssensibel.
Lena: Kannst du das hinsichtlich der Frauen bitte genauer beschreiben?
Romina: Bei Körperverletzungen und Sexualdelikten wurden laut BKA in den Jahren 2020-2021 die Taten zu 91% bzw. 95% durch männliche Personen begangen, bei einer nur sehr sehr geringen Anzeigenquote. Im Falle der Sexualdelikte nur 1%! Als Körperverletzungen sehen wir Schläge und Verletzungen -mit und ohne Waffe-, dann steigt auch bis heute die Gewaltandrohung und Beleidigung im Internet, daneben die ganzen sexualisierten Vorfälle vom Zeigen des Geschlechtsteils, sexueller Belästigung bis hin zu Missbrauch und Vergewaltigung. Alles auf sehr hohem und konstantem Niveau.
Lena: Zurück zum Roman, zu Iris und Henrik, deinen jungen Berliner Protagonisten (ich hab beim Lesen übrigens stellenweise geheult, stellenweise war ich einfach auch nur stinkwütend bei dem, was da ablief in deren Beziehung). Gibt es die beiden eigentlich real?
Romina: Jein, Dichtung und Wahrheit mengen sich. Aber manchmal, wenn ich durch den Kiez (Mitte und Prenzlauer Berg, Anm. Lena) laufe, sehe ich schon Avatare, die den beiden verdammt ähnlich sind.
Lena: Woher kommen die ganzen psychologischen Details bei der Charakterdarstellung?
Romina: Viele nachhaltige Eindrücke erhielt ich durch die Erfahrungsberichte und das Erleben in der Arbeit mit Frauen und Paaren im Rahmen meiner psychotherapeutischen Arbeit und dem Coaching in meiner Berliner Praxis. Begegnungen und Beziehungen sind nun einmal in unserem menschlichen Erfahrungsräumen von der Geburt bis zum Tod von ganz zentraler Bedeutung. Genaugenommen leben wir alle ja immer in einer Art Beziehungsdreieck: Ich-die Anderen und der Sinn (die Welt/das Geistige). Alles in bunter Wirbeltrommel gemischt: Mal hab ich als Mensch vor allem mit mir selbst zu tun, mal mit dem Sinn oder Chaos des Lebens, mal mit den Anderen -privat und öffentlich. So ist es und das ist prinziell auch gut so, weil da enorm viele Wachstumschancen und Bewusstwerdungspotentiale drinstecken...
Lena: Das sollten wir an anderer Stelle mal vertiefen. Da geht es ja auch um Spirituelles, und Wahrnehmungs-und Bewusstseinsebenen wie ich dich kenne. Ich möchte jetzt noch einmal konkret auf "Die verlorene Gesichter" zurückkommen. Viele Männer werden sagen: jetzt kriegen wir schon wieder kräftig eins auf den Deckel!
Romina: Nein, es ist überhaupt nicht meine Intention, im Allgemeinen auf die Männer einzudreschen. Im Gegenteil. Ich sehe doch, wie schwer sie es gerade mit sich selbst haben, da sie oft in Überzeugungs-und Erwartungsfallen und kulturellen Zwängen stecken, die sie knebeln und auslaugen. Ich differenziere da schon sehr. Glücklicherweise gibt es sie: tolle, beseligende Beziehungen, getragen von Empathie, Liebe, Respekt und gemeinsamen Wachstum. Doch recht viele Paarbeziehungen sind bedauerlicherweise eben "toxisch" und höchstgradig gefährlich für die Frauen. Man muss auch wahrhaftig bleiben. Es geht bei dem Roman um die Schattenseiten von Beziehungen. In dem Schelmenroman, den ich gerade schreibe, "Leichenzugblues" geht es viel sonniger zu! der Held Riko, ein Mathe-und Sportlehrer befreit sich-nach einem markanten Nahtoderlebnis, aus allen Zwängen. Ich schildere das humorvoll und satirisch. (Lacht).
Lena: Wodurch eigentlich wird denn eine Beziehung toxisch?
Romina: Eine bedeutsame Frage mit Blick auf die Scheidungsquote und die seelische und körperliche Gewalt gegen Frauen im deutschen Alltag. Dieser schleichende Prozess-und darum handelt es sich in der Regel- wird nicht selten begleitet von Eifersucht, Bedrohungszenarien, Stalking und eskaliert dann durch eine Trennung oder Trennungsabsicht. Was sind die Ursachen für Gewalt gegen Frauen? Die Studienlage ist da naturalistisch eindeutig: Neben psychischen Störungen der Täter sind es vor allem systemische, gesellschaftlich tief verankerte, patriarchale Muster. Aber, und das zeigt der Roman auch: E s gibt immer auch eine Lösungsoption für Leid, Schmerz und Elend. Aber: keine leichte Sache! Es ist mit seelischer Arbeit und auch mit einer guten Portion Schicksalhaftigkeit auf dem Seelenweg verbunden!
Lena: Danke für das heutige Gespräch und weiterhin viel Spaß beim Spaß und bei der Freude!