02. August 2015
Wie ich mal erwähnte, habe ich schon immer kleine Geschichten geschrieben.
Einge sind ausgedacht, einige sind wahr. So wie diese hier.
Wenn ich unterwegs bin, reagieren die Leute unterschiedlich auf mich, der Rollstuhlfahrerin.
Meistens sind es gute Erfahrungen. Aber ab und zu gibt es dumme Leute, die auch dumme Kommentare ablassen.
Dabei ist Gesundheit nicht so selbstverständlich, wie immer viele glauben wollen.
Ein Unfall genügt schon, um in den Rollstuhl zu landen, für immer.
Und dann gibt es auch Leute wie mich, die damit geboren werden.
1969- Ein tolles Geschenk
Es gibt viele schlimme Krankheiten und die meisten davon sind bekannt.
Dann gibt es wieder welche, die keiner kennt, die man aber auch nicht haben muss.
Als ich siebzehn war, lag ich in Münster im Krankenhaus auf der Neurologie.
Natürlich dachte ich damals, dass dies eine Abteilung für Verrückte ist, und habe mich schon gefragt, was ich hier verloren habe.
Dumme Fragen musste ich beantworten, mir Bilder ansehen und sagen, was ich sehe und all so einen Unsinn. Jedes Wort von mir wurde aufgeschrieben, und dann mit meiner Hilfe anschließend zig mal durchgekaut.
Woher hätte ich wissen sollen, dass die Neurologie nicht nur Geisteskrankheiten beinhaltet.
Hier hat man mir auch das erste Mal Blut abgenommen. Ich wollte gerade herzhaft in mein Brötchen beißen, als eine ältere Krankenschwester ankam und meinte, dass ich noch nichts essen darf, da man mir noch Blut abnehmen muss.
Na, da wurde mir aber ganz anders, als ich die gefährliche Spritze in ihrer Hand sah.
Dann hat sie mir im Stehen das Blut abzapfen wollen. Natürlich habe ich den Arm im Reflex weggezogen.
Und diese Krankenschwester hatte nichts Besseres zu tun, als mir die Nadel in meinen Arm zu rammen.
Das hat höllisch wehgetan. Aber wenn ich nun dachte, damit wäre es vorbei, da habe ich mich geirrt.
Sie kam zurück mit einer neuen Nadel und diesmal musste ich mich hinlegen, damit ich so was Dummes nicht noch mal mache.
Es war ein schreckliches Gefühl, dieses Stück Eisen in meiner Vene und mir kam es urig lange vor, bis sie genug Blut hatte.
Tage später wurde mir unter Ortsbetäubung im Nacken ein Stück Muskelgewebe entfernt.
Es tat weh, als die Betäubung nachließ und ich konnte deswegen nicht schlafen. Wieder war es diese Krankenschwester, die mir ziemlich unfreundlich eine Schlaftablette aufdrängelte.
Aber schlafen konnte ich trotzdem nicht und die Schmerzen wurden stärker.
Die Diagnose wollte man mir nicht so recht sagen, da ich noch nicht erwachsen war. Na toll, dabei ging es doch um mich.
Sie waren sich nicht sicher, ob ich wirklich das habe, was sie gefunden haben, wo ich doch ein Mädchen bin.
Monate später musste ich deswegen nach Gießen in eine Fachklinik, die sich besser mit diesen Sachen auskennt, die ich gar nicht haben kann.
Hier hat man schlimme Sachen mit mir gemacht, die auch teilweise sehr weh taten. Ich habe dort fast nur geheult und wäre am liebsten abgehauen.
Ein Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ich hatte einen Termin und saß nun vor dem Sprechzimmer. Es war mir alles schon nicht geheuer, zumal ich auch nicht nein sagen konnte, weil ich noch nicht volljährig war. Andere haben über mich bestimmt.
Da saß ich nun vor diesem Zimmer, aus dem mir jämmerliche Laute entgegen kamen. Sie klangen zwar gedämpft wegen der geschlossenen Tür, aber mir war klar, dass da drinnen etwas Schlimmes passiert.
Die ganze Zeit war ich am Überlegen, ob ich einfach verschwinde. Aber ich hatte diesen Termin und ich habe damals schon meine Termine eingehalten.
Irgendwann ging die Tür auf und eine ältere Dame kam heraus. Sie war in Tränen aufgelöst und es schien mir, als ob sie auf der Flucht ist. Alles in mir schrie, es ihr gleich zu tun.
Während ich noch darüber nachdachte, kam der Arzt raus und bat mich in das Zimmer.
Er hat mir kurz erklärt, was er machen will und dann ging es auch schon los.
Erst hat er mir tief in das Muskelgewebe eine Nadel reingestochen, die mit einem dünnen Kabel verbunden war.
Er schaltete ein Gerät an und ließ Strom in meinem Arm, weil er sehen wollte, wie meine Muskeln darauf reagieren.
Erst war es nur ein Kribbeln, doch dann wurde es stärker und fing an, wehzutun. Kein Laut kam über meine Lippen, aber die Tränen liefen über mein Gesicht.
Mein ganzer Arm zog sich zusammen und ich musste daran denken, dass ich nicht geflohen bin, als ich es noch konnte. Wie dumm von mir. Meine Hand verkrampfte sich und sah aus wie eine alte steife Klaue.
Auf dem Gerät wurden irgendwelche Daten übertragen.
Es war eine große Erleichterung, als der Atzt die Nadel aus meinem Arm zog, auch wenn es eine Weile dauerte, bis alles wieder normal wurde. Wenn ich nun dachte, das wäre es gewesen, da habe ich mich gewaltig geirrt.
Das Schlimmste hat der Arzt sich zum Schluss aufgehoben. Diesmal war mein rechtes Knie dran. Wie er die Nadel rein stach, dies war schon sehr schmerzhaft. Als er dann meinte, dass er für eine Minute den Strom volle Pulle in mein Knie jagen wird, wusste ich nicht, wie lang eine Minute sein kann. Mein ganzes Bein zog sich zusammen und verkrampfte sich. Doch auch hier weinte ich stumm.
Die Minute schlich an mir vorbei und sie kam mir vor wie Stunden, und ich hatte schon Angst, dass mein Bein nie wieder grade wird oder einfach abfällt.
Und dann war es vorbei.
Als ich in der Lage war zu gehen, stand für mich fest, dass ich von hier verschwinden muss. Also bin ich auf mein Zimmer gerannt, habe meine Koffer vom Schrank gezerrt und meine Sachen rein gestopft.
Eine Krankenschwester kam dazu und nahm mir den Koffer wieder weg. Aber ich wollte trotzdem fort von hier, dann eben ohne Koffer.
Eine Studentin hat sich die nächsten Stunden um mich gekümmert. Sie ging mit mir in die Stadt Eis essen und danach nahm sie mich mit in ihre Wohnung zu ihren Meerschweinchen.
Meinen Fluchtgedanken habe ich erst mal auf Eis gelegt.
Drei Tage später wurde mir unter Ortsbetäubung an zwei Stellen ein Stück Muskelgewebe entfernt. Aber es hat nichts geholfen, die Diagnose war die Gleiche wie in Münster.
Endlich erfuhr auch ich mal, was ich denn nun habe. MUSKELSCHWUND.
Und dann hat man mir erzählt, was ich alles nicht machen darf, weil meine Muskeln sich abbauen und nicht wieder kommen.
Ja toll, nur hatte ich weder reiche Eltern, noch hatte ich ein dickes Bankkonto.
Ich stand ganz alleine da und musste schließlich von irgendetwas leben.
Und so richtig sind die auch nicht mit der Sprache rausgerückt
.
Also habe ich selber versucht, mich schlauzumachen. Aber wenn ich etwas in Büchern fand, dann nur das, dass man nicht älter wie zwanzig damit wird.
Das hieß für mich, keine zwei Jahre mehr und dann ist mein Leben vorbei.
Es gab auch niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Natürlich habe ich geheult und fand das nicht fair.
Da habe ich mir vorgenommen, dass ich Hundert werde.
Jahre später wusste man mehr über diese Krankheit und mir war klar, dass ich alt damit werden kann.
Und dass ich eines Tages im Rollstuhl lande, das fand ich nicht bedrohlich.
Heute hat sich viel in der Medizin getan und es sind auch manche Krebskrankheiten heilbar. Aber gegen den Abbau der Muskeln ist noch kein Kraut gewachsen.
Klar finde ich das manchmal blöd, weil es immer mehr Sachen gibt, die ich nicht mehr machen kann.
Reiten und Tanzen! Überall hingehen!
Ich weiß, dass es schlimmere Krankheiten gibt, nur meine will auch keiner haben.
Und was es bedeutet, wenn man körperlich nicht mehr so fit ist, das habe ich selber mit meinem Freundeskreis erfahren müssen.
Bei mir war und ist keine Familie im Rücken, die einen auffängt.
Auch wenn ich damit klar komme. Mal ganz ehrlich, ich hatte doch keine andere Wahl.
Dies ist eine Erbkrankheit vonseiten der Mutter. Tolles Geschenk!
Einge sind ausgedacht, einige sind wahr. So wie diese hier.
Wenn ich unterwegs bin, reagieren die Leute unterschiedlich auf mich, der Rollstuhlfahrerin.
Meistens sind es gute Erfahrungen. Aber ab und zu gibt es dumme Leute, die auch dumme Kommentare ablassen.
Dabei ist Gesundheit nicht so selbstverständlich, wie immer viele glauben wollen.
Ein Unfall genügt schon, um in den Rollstuhl zu landen, für immer.
Und dann gibt es auch Leute wie mich, die damit geboren werden.
1969- Ein tolles Geschenk
Es gibt viele schlimme Krankheiten und die meisten davon sind bekannt.
Dann gibt es wieder welche, die keiner kennt, die man aber auch nicht haben muss.
Als ich siebzehn war, lag ich in Münster im Krankenhaus auf der Neurologie.
Natürlich dachte ich damals, dass dies eine Abteilung für Verrückte ist, und habe mich schon gefragt, was ich hier verloren habe.
Dumme Fragen musste ich beantworten, mir Bilder ansehen und sagen, was ich sehe und all so einen Unsinn. Jedes Wort von mir wurde aufgeschrieben, und dann mit meiner Hilfe anschließend zig mal durchgekaut.
Woher hätte ich wissen sollen, dass die Neurologie nicht nur Geisteskrankheiten beinhaltet.
Hier hat man mir auch das erste Mal Blut abgenommen. Ich wollte gerade herzhaft in mein Brötchen beißen, als eine ältere Krankenschwester ankam und meinte, dass ich noch nichts essen darf, da man mir noch Blut abnehmen muss.
Na, da wurde mir aber ganz anders, als ich die gefährliche Spritze in ihrer Hand sah.
Dann hat sie mir im Stehen das Blut abzapfen wollen. Natürlich habe ich den Arm im Reflex weggezogen.
Und diese Krankenschwester hatte nichts Besseres zu tun, als mir die Nadel in meinen Arm zu rammen.
Das hat höllisch wehgetan. Aber wenn ich nun dachte, damit wäre es vorbei, da habe ich mich geirrt.
Sie kam zurück mit einer neuen Nadel und diesmal musste ich mich hinlegen, damit ich so was Dummes nicht noch mal mache.
Es war ein schreckliches Gefühl, dieses Stück Eisen in meiner Vene und mir kam es urig lange vor, bis sie genug Blut hatte.
Tage später wurde mir unter Ortsbetäubung im Nacken ein Stück Muskelgewebe entfernt.
Es tat weh, als die Betäubung nachließ und ich konnte deswegen nicht schlafen. Wieder war es diese Krankenschwester, die mir ziemlich unfreundlich eine Schlaftablette aufdrängelte.
Aber schlafen konnte ich trotzdem nicht und die Schmerzen wurden stärker.
Die Diagnose wollte man mir nicht so recht sagen, da ich noch nicht erwachsen war. Na toll, dabei ging es doch um mich.
Sie waren sich nicht sicher, ob ich wirklich das habe, was sie gefunden haben, wo ich doch ein Mädchen bin.
Monate später musste ich deswegen nach Gießen in eine Fachklinik, die sich besser mit diesen Sachen auskennt, die ich gar nicht haben kann.
Hier hat man schlimme Sachen mit mir gemacht, die auch teilweise sehr weh taten. Ich habe dort fast nur geheult und wäre am liebsten abgehauen.
Ein Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ich hatte einen Termin und saß nun vor dem Sprechzimmer. Es war mir alles schon nicht geheuer, zumal ich auch nicht nein sagen konnte, weil ich noch nicht volljährig war. Andere haben über mich bestimmt.
Da saß ich nun vor diesem Zimmer, aus dem mir jämmerliche Laute entgegen kamen. Sie klangen zwar gedämpft wegen der geschlossenen Tür, aber mir war klar, dass da drinnen etwas Schlimmes passiert.
Die ganze Zeit war ich am Überlegen, ob ich einfach verschwinde. Aber ich hatte diesen Termin und ich habe damals schon meine Termine eingehalten.
Irgendwann ging die Tür auf und eine ältere Dame kam heraus. Sie war in Tränen aufgelöst und es schien mir, als ob sie auf der Flucht ist. Alles in mir schrie, es ihr gleich zu tun.
Während ich noch darüber nachdachte, kam der Arzt raus und bat mich in das Zimmer.
Er hat mir kurz erklärt, was er machen will und dann ging es auch schon los.
Erst hat er mir tief in das Muskelgewebe eine Nadel reingestochen, die mit einem dünnen Kabel verbunden war.
Er schaltete ein Gerät an und ließ Strom in meinem Arm, weil er sehen wollte, wie meine Muskeln darauf reagieren.
Erst war es nur ein Kribbeln, doch dann wurde es stärker und fing an, wehzutun. Kein Laut kam über meine Lippen, aber die Tränen liefen über mein Gesicht.
Mein ganzer Arm zog sich zusammen und ich musste daran denken, dass ich nicht geflohen bin, als ich es noch konnte. Wie dumm von mir. Meine Hand verkrampfte sich und sah aus wie eine alte steife Klaue.
Auf dem Gerät wurden irgendwelche Daten übertragen.
Es war eine große Erleichterung, als der Atzt die Nadel aus meinem Arm zog, auch wenn es eine Weile dauerte, bis alles wieder normal wurde. Wenn ich nun dachte, das wäre es gewesen, da habe ich mich gewaltig geirrt.
Das Schlimmste hat der Arzt sich zum Schluss aufgehoben. Diesmal war mein rechtes Knie dran. Wie er die Nadel rein stach, dies war schon sehr schmerzhaft. Als er dann meinte, dass er für eine Minute den Strom volle Pulle in mein Knie jagen wird, wusste ich nicht, wie lang eine Minute sein kann. Mein ganzes Bein zog sich zusammen und verkrampfte sich. Doch auch hier weinte ich stumm.
Die Minute schlich an mir vorbei und sie kam mir vor wie Stunden, und ich hatte schon Angst, dass mein Bein nie wieder grade wird oder einfach abfällt.
Und dann war es vorbei.
Als ich in der Lage war zu gehen, stand für mich fest, dass ich von hier verschwinden muss. Also bin ich auf mein Zimmer gerannt, habe meine Koffer vom Schrank gezerrt und meine Sachen rein gestopft.
Eine Krankenschwester kam dazu und nahm mir den Koffer wieder weg. Aber ich wollte trotzdem fort von hier, dann eben ohne Koffer.
Eine Studentin hat sich die nächsten Stunden um mich gekümmert. Sie ging mit mir in die Stadt Eis essen und danach nahm sie mich mit in ihre Wohnung zu ihren Meerschweinchen.
Meinen Fluchtgedanken habe ich erst mal auf Eis gelegt.
Drei Tage später wurde mir unter Ortsbetäubung an zwei Stellen ein Stück Muskelgewebe entfernt. Aber es hat nichts geholfen, die Diagnose war die Gleiche wie in Münster.
Endlich erfuhr auch ich mal, was ich denn nun habe. MUSKELSCHWUND.
Und dann hat man mir erzählt, was ich alles nicht machen darf, weil meine Muskeln sich abbauen und nicht wieder kommen.
Ja toll, nur hatte ich weder reiche Eltern, noch hatte ich ein dickes Bankkonto.
Ich stand ganz alleine da und musste schließlich von irgendetwas leben.
Und so richtig sind die auch nicht mit der Sprache rausgerückt
.
Also habe ich selber versucht, mich schlauzumachen. Aber wenn ich etwas in Büchern fand, dann nur das, dass man nicht älter wie zwanzig damit wird.
Das hieß für mich, keine zwei Jahre mehr und dann ist mein Leben vorbei.
Es gab auch niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Natürlich habe ich geheult und fand das nicht fair.
Da habe ich mir vorgenommen, dass ich Hundert werde.
Jahre später wusste man mehr über diese Krankheit und mir war klar, dass ich alt damit werden kann.
Und dass ich eines Tages im Rollstuhl lande, das fand ich nicht bedrohlich.
Heute hat sich viel in der Medizin getan und es sind auch manche Krebskrankheiten heilbar. Aber gegen den Abbau der Muskeln ist noch kein Kraut gewachsen.
Klar finde ich das manchmal blöd, weil es immer mehr Sachen gibt, die ich nicht mehr machen kann.
Reiten und Tanzen! Überall hingehen!
Ich weiß, dass es schlimmere Krankheiten gibt, nur meine will auch keiner haben.
Und was es bedeutet, wenn man körperlich nicht mehr so fit ist, das habe ich selber mit meinem Freundeskreis erfahren müssen.
Bei mir war und ist keine Familie im Rücken, die einen auffängt.
Auch wenn ich damit klar komme. Mal ganz ehrlich, ich hatte doch keine andere Wahl.
Dies ist eine Erbkrankheit vonseiten der Mutter. Tolles Geschenk!