Kreativität Ich habe hier in Kenia viel Zeit auf dem Land verbracht und aufgrund meiner Vorliebe für das Schreiben beobachte ich meine Umwelt unbewusst intensiv. Dort, in diesem noch naturbelassenen Lebensraum führt mich das Gebaren der Menschen oft an eine weitere Trilogie. Entdecken, Erfinden, Innovation. So empfinde ich suchend, was sich um mich herum abspielt. Für die betroffenen Menschen hingegen dürfte das Dasein eher nach Entdecken, Verstehen und Glauben ausgerichtet sein. Um meiner Version Genugtuung einzuverleiben, muss Wissen vorhanden sein. Dem Landleben aber ist dieses sich schnell ändernde, sensuale Empfinden nicht bekannt, wodurch eigenmächtige Lernprozesse ausbleiben. Ihr Alltag wird durch wiederholendes Empfinden geprägt, was oft negative Auswirkungen haben kann. Überleben gelingt halbwegs, was den Neid des Besitzens hervorbringt und dessen Erleben oft unter Mithilfe von Witchcraft umgesetzt wird. Gedeihen ist in diesem Einflussbereich nahezu unmöglich, aber – keine Regel ohne Ausnahme. Ich habe dort Menschen kennengelernt, die dieser Denkweise entsagen, ihr Denken ist philanthropisch ausgeprägt und unbeschmutzt. Sie haben einen starken Glauben an die vorherrschenden Faktoren ihrer unmittelbaren Umwelt errichtet. Eine besondere Trägheit induziert durch die fehlende Belastung der schnellen Eindrücke ihr denken und tun, was wiederum den Glauben an das Fassbare stärkt. Manche würden dies als unwissenden Glauben abtun. Meine Beobachtungen dieser Lebensweise jedoch zeigen auf, wie ihre geistige Unverschmutztheit Erde, Saatgut und Frucht der wahren Kunst sein könnte. Oft staune ich über Bleistiftskizzen und anderen Kunst gerechten Kreationen aus diesem Umfeld. Ihr unbewusstes Kunstschaffen folgt einer Trilogie, vergleichbar mit den drei Aggregatzuständen der Materie. Gasig, flüssig und fest. Ihre künstlerische Potenz ist nicht durch das lärmige Geschwätz von außen geformt, entspricht eher den drei physikalischen Formen der Materie. Entdecken ist flüchtig wie die Luft, etwas, das schon existiert, aber noch nicht gefunden, besser erschaffen ist. Verstehen entspricht fließender Kreativität und die einfache Lebensweise ausbedingt den Glauben an die Unausweglichkeit der harten Realität. Eine identifizierte Wissenslücke verflüchtigt sich, derweil Erkenntnisse der Gegenwart in Bewegung sind und dadurch diese absolut sture Trägheit ermöglichen – ein Kunstschaffender.
Auszug aus meinem nächsten Buch Scheintod Ich lese gerade wieder einmal meinen Lieblingsautor – Karl May. Er berichtigt die blumige Redefreudigkeit seines Freund und Dieners Halef, diesmal auf das Paradoxon Scheintod bezogen. Die entsprechenden Sequenzen in seinem Buch Am Jenseits beschäftigen mich und kreieren Bilder von Scheintod verfolgten Unternehmer. Sicherlich, mein Verstand induziert ungewohnte, vielleicht gar abwegige Bilder. Dennoch, mein Bezug zu Vita minima beleuchtet die geistige Abwesenheit jener Menschen der ominösen 0,1% angehörend. Ihr pathologisches Verhalten zeigt keine gravierende Abweichungen auf. Auf ihrer Haut sind keine Totenflecken sichtbar, sie leben somnambul irgendwie und ihr Denken ist scheintödlich verwirrt. Vermutlich muss ich diese geistige Befindlichkeit, diesen seelischen Scheintod der Superreichen, näher erläutern. Ich versuche es mit einem Beispiel. Der Krieg in der Ukraine. Vorab, dass ein Krieg nach allen Erfahrungen immer noch möglich ist, zeigt auf, wie gross das menschliche Unvermögen ist. Dann das Vorgehen. Russland der Angreifer, Ukraine Verteidiger. Ich aber lege mein Augenmerk auf den Rest der Welt, die International Community. Sie agiert wie scheintot. Was immer die Keyplayer beraten und entscheiden, es dient dem Nichtbeenden. Wenn ein Russe ein Ukrainer tötet, trifft ihn die Hauptschuld und Putin ist Mittäter. Umgekehrt ist der Ukrainer des Mordes schuldig, Zelenskiy der Mittäter, wenn ein Russe ermordet wird. Zwischen dem Auftraggeber und dem Ausführenden jedoch agieren ganze Horden von Mittäter, alles Scheintote, da sie ethische Grundsätze ignorieren. Sie isolieren in ihrem Denken die Auswirkungen ihrer Mittäterschaft und erlauben diesem Gerangel nach der Suche was ist richtig, was ist falsch, das langsame Abtöten der gesellschaftlichen Empathie. Scheintote, die der Ungerechtigkeit willhörig sind.
Ein markantes Pendant. Am Meer bewege ich mich in meiner kleinen Welt. Da läuft alles irgendwie gemächlich ab, die Bewegungen der Lebensinhalte meiner Umgebung sind immer noch langsam. Ich übergebe mich dort einem Tagesrhythmus, der mich beruhigt. Als Frühaufwacher sitz-liege ich lesend oder schreibend im Bett. Mit dem ersten Lichtschimmer von draussen jedoch ziehe ich die leichten Schuhe über und mit elektrisierender Erwartung begebe ich mich auf den Weg hin zum Meer. Die Grossstadt Nairobi verhindert das aus dem Haus gehen. Da ist alles … zu gross halt, schnell lebig. Dafür kann ich an einem breit gefächerten Kulturangebot teilnehmen. Dazu aber muss ich aus dem Haus.
Wortspielerei Die Abgestimmtheiten im Gericht sind verantwortlich für den weiteren Verlauf genüsslicher Feinheiten.
Seit sieben Jahren unterrichte ich Creative Writing in einem Frauengefängnis in Nairobi. Frühe Schulabgängerinnen sitzen da neben Frauen mit Universitätsabschluss. Einem akademischen Syllabus zu folgen ist, so meine Erfahrung, nicht ratsam. Ich transformiere aus dem Leben gegriffene Situationen in etwas Höheres, wobei der Lehrstoff innerhalb eines Themakreises während dem Unterricht von den Frauen selbst erdacht wird. Ich intensiviere den Ablauf nur, woraus Ungeahntes in den Raum drängt. Die Frauen glauben und hoffen, dass Gedichte, Kurzgeschichten oder gar Biographien den Mythos der zweiten Chance beeinflussen können. Im Rahmen des Projekts www.goennerverein.org unterrichten wir auch Musik und Französisch. Besonders beliebt ist Musik, Afrika ohne Rhythmus, undenkbar.